Es ist immer wieder ein Balanceakt: 40 Kunstschaffende geben ihre Arbeiten im Kunstmuseum Hersbruck zur „Mitgliederausstellung“ ab und das ehrenamtliche Team ist redlich bemüht, aus diesen künstlerischen Positionen eine stringente Schau zu gestalten. Bezüge zwischen den Gemälden, Skulpturen und Textilarbeiten herzustellen, harsche Zusammenstoße zu vermeiden und den Besuchern einen erhellenden Rundgang zu bieten, ist das Ziel. In der Ausstellung „Weniger ist mehr“ ist das einmal mehr gelungen. Die Vielseitigkeit regionalen Kunstschaffens wirkt nicht willkürlich, sondern niveauvoll, nachdenklich, gelegentlich augenzwinkernd. Bei einem Thema, das zur Gesellschaftskritik einzuladen scheint, zitiert Museumsleiter Uli Olpp in seiner Begrüßung den ukrainischen Lyriker Zbigniew Herbert: „Es ist Eitelkeit, zu
denken, man könne mit dem Schreiben von Gedichten den Gang der Geschichte beeinflussen. Das Barometer schlägt ja auch nicht die Witterung um!“. Kunst muss keine Gebrauchsanweisung geben, sie zeichnet aber sensibel wie ein Seismograph die Stimmungen auf, die sie empfängt. Die können durchaus auch heiter sein, wie es die selbstvergessen Tanzende von Andreas Hauter zeigt oder der textile Maulwurf von Barbara Kraus, der überhaupt nicht einsehen mag, weniger Hügel aufzuwerfen, wenn es auch mehr sein können. Nicht Wenige benutzen Gebrauchtes oder Verworfenes als Grundlage für ihr Werk. Rainer Zitta kritzelt seine taoistische Betrachtung „Nichts ist alles“ auf eine weiß lackierte ehemalige Fensterbank, Dieter Serfas biegt seine Flugobjekte in „Alle Vögel fliegen hoch!“ aus Drahtkleiderbügeln.
Die Beschränkung auf eine äußerst reduzierte Farbpalette führt zu etlichen schwarz-weißen und auch einigen monochromen Arbeiten, die trotzdem völlig unterschiedliche Herangehensweisen haben. Formreduktion wie bei Stefan Stöbers fein gepinselter „Winkelordnung Grundfiguren“ in Tempera oder Agathe Meiers aus irisierenden Stoffen genähtes „Hexagon 18460“ stehen im Dialog mit üppigen Natur-Selbstbehauptungen wie Ina Schillings „Ich komme wieder, sagt der Baumstumpf“. Besonderen Charme hat Melanie Hehlingers typografisch gestaltete Malerei „More (A)More“. Wollte sie zunächst das gleichermaßen für Kinder wie für Erwachsene typische Mehr-Haben-Wollen mit der Doppelung von „More“ ausdrücken, pinselte Tochter Anna ein Pinkes „A“ ins Bild und sorgte so für die Aussage, dass es von einer Sache nie genug geben kann - der Liebe… more Amore!
Die Ausstellung läuft bis Samstag, 21. Dezember 2024 im Kunstmuseum Hersbruck in der Amberger Straße 2. Die Öffnungszeiten sind jeweils Freitag und Samstag von 16 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei, Spenden freuen das Team.
Fotos von Gerhard Wokurka, Ute Plank und Gulschan Rokzad
Rede zur Mitgliederausstellung am 7.11.2024
Weniger ist Mehr, dieses zeitlose und ambivalente Thema wurde von unseren künstlerisch arbeitenden Mitgliedern wie erwartet ganz unterschiedlich aufgegriffen.
Als am Montag die ersten zehn Arbeiten eingeliefert wurden, waren wir schon fast darauf eingestellt, eine schwarz-weiße Ausstellung hängen zu dürfen. Dass weniger Farbe kein Verzicht auf mehr Ausdruck sein muss, zeigt eine Wand oben und auch einige Exponate hier im Raum.
Eine Reduktion zur Steigerung der Aussagekraft ist Christian Oberlander mit seinen elegant eingedampften Fotoarbeiten gelungen. Ist die Traubenranke noch ganz nah an ihrer natürlichen Erscheinung, verschwinden die den „Freistoß“ ausführenden Fußballer wie im gleißenden Gegenlicht, werden zu winzigen Signets.
Daneben Susanne Schreyers schwungvolle und sensible Zeichen, die wie ein Seismograph feinste Schwingungen aufzeichnen.
Gerhard Wokurkas konsequente Bändigung nicht nur der Farbe, sondern auch der Form bildet einen starken Kontrast dazu.
Woldemar Fuhrmann hat in einer sehr grafischen Handschrift die philosophische Betrachtung Toni Burgharts über die Existenzberechtigung eines Lochs aufgeschrieben, das Loch als ultimatives Weniger, dass das Mehr eines Randes braucht, um sich nicht zu verlieren. Lesen Sie diese ebenso kluge wie dadaistisch blödelnde Betrachtung, es tut gut.
Auch Klaus Wagner verzichtet auf zusätzliche Farben neben dem Weiß des Papiers und der Druckerschwärze. Um das Licht auf seiner „Obstwiese“ sommerlich flirren zu lassen, hat er ein Papier ausgewählt, das diese winzige Farblücken begünstigt.
Heinz Thurn behauptet gleich zweimal „Du hast einen Vogel“. Seine Lithografien bewusst kindlich krakeligen Stil würde man überall wiedererkennen.
Nur noch eine Farbe benutzt Conny Klonen. Wer ihre farbstarken Arbeiten kennt, sieht, wie sehr sie sich beim Werk „Einfachheit“ einschränkt - und doch ist das Spiel des Lichts auf ihrer Materialcollage alles andere als langweilig. Ein leeres weißes Brett hängt uns Reiner Zitta vor den Kopf. „Ist weniger mehr? Weniger ist mehr! Nichts ist alles!“ zitiert er Lao Tse und die Lehre des Tsao und verankert diese spirituell-philosophischen Betrachtungen, wie wir es von ihm kennen, nicht auf einem teuer erworbenen Malgrund, sondern auf einem im Lauf der Jahrzehnten vielfach lackierten Fensterbrett.
A propos spirituell: auch Thomas Palme hat auf 90 Prozent seiner gewohnten Farbfülle verzichtet und „Einfach Rot“ verwendet. Durch eine trotzdem bewegte Oberfläche scheint die Gestalt des Buddha. Innere Ruhe, Demut und Verzicht sind nur drei der vielen Haltungen, für die der Buddhismus steht und die der Welt mit einem Mehr durchaus dienlich sein könnten.
Bei einer Farbe geblieben ist auch Karin Plank-Hauter. Im Indigo-Ton der Pigmentfirma Lukas hat sich an die Gußeisen-Ornamentik oberbayerischer Grabkreuze angelehnt. Während dort oft ein Porträt des Verstorbenen zu sehen ist, hat sie einen Engel und einen Vogel eingemalt. Beide gefiederten Wesen symbolisieren Hoffnung, Beschützt-Sein und die Unbändigkeit der menschlichen Seele. Andreas Hauter hat eine selbstvergessen Tanzende geschnitzt und bemalt. Vielleicht hat sie auf diese Weise weniger Sorgen und mehr vom Leben? Die Verbindung zum Werk seiner Frau entdecke ich im Zitat von Kirchenvater Augustinus: „O, Mensch, lerne tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel nichts mit dir anzufangen!“.
Sohn Mathis Hauter, der gerade sein Kunststudium abgeschlossen hat, spielt in seinem Werk auf eine ganz irdische Umverteilungsidee von weniger zu mehr an: Die unsichtbare Hand /invisible hand) ist ein metaphorischer Ausdruck, mit dem der schottische Ökonom und Moralphilosoph Adam Smith die unbewusste Förderung des Gemeinwohls beschrieb. Wenn alle Akteure an ihrem eigenen Wohl orientiert seien, führe eine … Selbstregulierung des Wirtschaftslebens zu einer optimalen Produktionsmenge … sowie zu einer gerechten Verteilung. Da sich dieser Effekt bis heute nicht einstellte, überlegt man , ob diese Theorie vielleicht von Smith ironisch verstanden worden war. Jedenfalls hat sich Mathis beim Bildträger für weniger entschieden. Die Klebefolie mit den Schuhen der arbeitenden Klasse und der „unsichtbaren Hand“ trägt kaum auf.
Eher mehr als Weniger zeigt uns Anita M. Franz. Die „Doppelte Botschaft“ ihrer zwei Köpfe aus Holz auf Solnhofener Kalkstein könnte aktueller kaum sein.
Nichts von Minimalismus hält der Maulwurf von Barbara Kraus. Wieso sich auf einen Haufen beschränken, wenn man viele machen kann, lautet seine sehr menschliche Frage? Alles andere als minimalistisch ist Dieter
Serfas`eine Arbeit „Hoch dem Teddybär“, der Zivilisationsmüll und das kaputt geliebte Kuscheltier in einem Goldrahmen zusammenfasst, der sonst Ahnenporträts vorbehalten bleibt. Kein Material einzukaufen, diesem Prinzip bleibt er in seiner anderen Arbeit „Alle Vögel fliegen hoch!“. Die Vögel sind aus gebrauchten Drahtkleiderbügeln gebogen.
In die Kategorie Materialbeschränkung fällt auch Silberschmiedin Gerlinde Berger. Unter dem Motto „Minimalismus als ästhetische Entscheidung“ zeigt sie in der Vitrine eine „Kleine Biegerei“. Anstelle von Silber und Gold sind es Kupfer- und Stahldraht, aus denen sie einen Einkaufswagen formt, angesichts dessen dem Gesicht daneben fast die Augen aus dem Kopf fallen. Am anderen Ende der Vitrine behauptet Ute Planks Malerei auf einen Teebeutel „Weniger ist leer“ und spielt damit auf den mehrfach preisgekrönten Slogan von Brot für die Welt und der Agentur Gute Botschafter 2008 an, der 2021 noch einmal mit dem
Deutschen Nachhaltigkeitspreis Design ausgezeichnet wurde.
Vielleicht auf Selbstdisziplin beim Konsum zielt Anke Hahns Zeichnung „Kein Buch mehr“ ab. Erst den Stapel auf dem Nachttisch lesen, bevor man sich ein neues Buch kauft?
An der Wand gegenüber schweben keramische Objekte von Angelika Krauß durch ein imaginäres All. Die arbeiten mit dem Titel „Perspektivenwechsel“ wurden in Hüfingen im Schwarzwald mit dem Jurypreis ausgezeichnet und stellen unsere Erwartungen an Keramik auf den Kopf.
Konsumkritik kann man auch in Vivian Christleins Arbeit entdecken. Sie ist unser neuestes Mitglied und ich möchte sie an dieser stelle noch einmal offiziell und ganz herzlich willkommen heißen. Bei ihrer Aufnahme hat es Kuddelmuddel bei den Formalitäten gegeben, doch die Hürden sind genommen und Vivian ist da! Herzlich willkommen! Vivian ist Textilkünstlerin und gewohnt, mit üppigen und wertvollen Stoffen zu arbeiten. Ihre Collage aber präsentiert sie auf einer alten Bastmatte, denn auch ihr Protagonist lebt prekär. Doch stolz fährt er sein Geschenk, das er im Supermarkt ergattert hat, heim zu seiner Liebsten. Status, Reichtum, Macht zählt nicht, nur die Liebe. So Vivian Christlein.
Weniger Technik- mehr Intuition in der Kunst? Zu dieser inneren Haltung passt für mich Inge-Bärbel Drexel Materialcollage „Durchsicht“. Mit einem feinen Gespür für Farbe und Stofflichkeit arrangiert sie einen Hauch von Stoff auf dem Malgrund. Ingrid Pflaums Farbfeldmalereien sind für mich auch Beispiele dafür, sich von der Farbe leiten zu lassen. Weniger Planung-mehr Wahrnehmung. Theresa Blaßdörfers „Flamingo-Bingo“ eine Collage mit Buntstift-Elementen, gibt dem spielerischen Zufall Raum. Barbara Henning benutzt zwar die Technik eines Fotoprogramms, doch lässt sie für ihre „Hersbruck reloaded“-Serie, die historische und aktuelle Lichtbilder von Hersbruck vereint, auch dem Zufall großen Raum.
Mit einem „weniger“ der ganz besonderen Art musste Ruth Wittmann zurechtkommen: mitten in der Zeichnung lief ihr das Modell davon! Die Lehre, die sie daraus zieht, zeigt sich im Titel der Arbeit. „Vergangenes loslassen und sich auf den Augenblick konzentrieren“. Weniger immer, mehr jetzt.
Chris Rupp vereint Gegensätze in ihrem zweiteiligen Materialbild „Heimaterde“. Erde, Schlamm, Staub wird manchmal lediglich als Dreck wahrgenommen, lädt man sie mit Bedeutung auf, gewinnt sie außerordentlich an Symbolkraft. „Heimaterde“ ein starker und heutzutage doch auch instabiler Begriff.
Dass die Natur sowieso ihre eigenen Wege hat, sich unseren Bemühungen, ihr „Weniger“ zuzugestehen, entgegenzusetzen, davon erzählt Ina Schillings zweiteilige Arbeit. „Ich komme wieder, sagt der Baumstumpf“.
Gulschan Rokzads Bild erscheint trügerisch schlicht. Ein Weg, ein Baum, ein Himmel. Und doch ist der Weg ein kraftvolles Symbol für unser ganzes Leben und die verschlungenen Wege, die es uns oft führt.
Ein Blatt von ihrem Baum erscheint im Bild daneben bei Michael Steinlein. Scherz beiseite, Michael hat sein Blatt in der alten Heimat Bayreuth auf dem Festspielhügel gefunden und eine Monotypie damit angefertigt, Eine Drucktechnik, aber eine, bei der nur ein Druck existiert. Weniger. Mehr.
Reduktion in noch einer anderen Spielart ist bei Uli Olpps gebogener und bemalter Alu-Skulptur „vermessen“. Findet er die Menschheit vermessen? Hat er sich beim Zuschneiden des Materials vermessen? Oder hat er es doch richtig vermessen? Jedenfalls gilt hier: weniger Material, mehr interessante Schattenwürfe, jedenfalls wenn es mehr als eine Lichtquelle gibt.
Formal eingeschränkt hat sich auch Catrin Klott: ein Hintergrund, eine Linie - und doch ist dieses weniger Symbol für das mehr eines Sonnenaufgangs, eines neuen Tags.
Die Stadtansicht von Jutta Schwarz folgt einem ähnlichen Prinzip. Die Skyline nimmt im Bild nur etwa ein Fünftel des Raums ein. Weniger Stadt, mehr Himmel.
Der Winter reduziert die Landschaft auf eine weiße Fläche mit wenigen Elementen, der Akt entbindet den Menschen von seinen Statussymbolen, nur der nackte Körper bleibt. Beides meisterhaft dargestellt von Nora Matocza.
Für das große Finale sehen wir uns nun noch die Arbeiten an, bei denen an der Farbe NICHT gespart wurde. In der Vitrine und oben als zu drehende Scheibe am Fachwerk sehen wir Malerei von Doris Kabutke. Sie hat die Platte eines ehemaligen Stuhls und eine Holzplatte für Wurst oder Käse als Malgrund verwendet und stellt die Urmutter dar, die uns alle nährt und die Welt im Innersten zusammenhält. „Kunst küßt Mathe“, so Doris, in den Sinus und Cosinus Kurven, die durch ein Bild schwingen. „Blue Notes“, die Zwischentöne im Jazz, liefern den Titel für das andere. Viel Symbolik in Farbe und Motiv.
Stefan Stöber bringt eine andere Art der Welt-Ordnung zu Papier. Mit der anspruchsvollen und jahrhundertealten Technik der Temperamalerei zeigt er uns die „Winkelordnung Grundfiguren III“.
Die Motivwahl in der Arbeit von Agathe Meier nebenan scheint ähnlich, doch der zweite Blick offenbart bei „Hexagon 18460“ feinste, präzise Näharbeit, um die Dreidimensionalität ihrer Motive zu erzielen.
Die Geschichte von Anna und Melanie Hehlingers Gemeinschaftsarbeit hat mich richtig glücklich gemacht: Melanie hat die Forderung von Kindern, die immer nach Mehr und Mehr verlangen, ein Verhalten, das wir als Erwachsene munter fortsetzen, in ihre Bildsprache übersetzt. Ihre Tochter Anna hat den Buchstaben A beigesteuert. Und plötzlich erscheint im Bild das, bei dem kein Weniger geboten ist, sondern immer ein Mehr: more Amore -mehr Liebe liest es sich jetzt!
Ende September bietet das Kunstmuseum Hersbruck wieder einen Atelierbesuch an, diesmal bei der Künstlerin Gerlinde Wendland in Unterhaidelbach. Der Atelierbesuch ist kostenfrei und findet am Freitag, den 27. September um 18 Uhr bei Gerlinde Wendland, An der Rosseiche 14 in Leinburg-Unterhaidelbach statt.
Gerlinde Wendland, geboren 1954 in Pegnitz, bereichert mit Ausstellungen im In- und Ausland und ihren Kursangeboten seit vielen Jahren das Kunstgeschehen in der Region. Sie sieht Kunst als lebendigen Prozess, bei dem sie sich Unsicherheiten, Abwegen und Herausforderungen stellt. Der Lohn ist die Belebung und Erfrischung des ganzen sinnlichen Seins und eine Verbundenheit mit allem Lebendigen.
Beim Atelierbesuch wird der Ort zugänglich, wo die Kunst "gemacht wird“, Theorie und Praxis kommt zusammen. Es ist die Chance, den direkten Kontakt mit Kunstschaffenden herzustellen und sich im Dialog anzunähern. Gedankengänge und Prozesse hinter einer künstlerischen Arbeit werden begreiflich.
Das Atelier, der Rückzugsort, in dem die Künstlerin ganz bei sich ist, ist Keimzelle der Kreativität und Innovation. Hier leben die Werke, bevor sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Antworten auf Fragen wie: "Was inspiriert, wie wird gearbeitet, welche Impulse oder Gedanken begleiten den Arbeitsprozess und wann ist ein Werk fertig?“ können gestellt werden, die Werkzeuge betrachtet, innere und äußere Vorgänge nachvollzogen werden. Eine Anmeldung ist unbedingt erforderlich, Künstlerin Anita Magdalena Franz nimmt diese entgegen. Die Anfahrt muss selbst organisiert werden.
anita.m.franz@web.de – 015115392897 – 09158928786
Lichtspiele am Kunstmuseum
Parallel zum Gitarrenfestival hat Christian Oberlander unter dem Titel „Kleine Heimatkunde“ eine All-Star-Show im Kunstmuseum zusammengetrommelt. Werke von Günther Derleth, Woldemar Fuhrmann, Roger Libesch, Jürgen Durner, Hans Grasser und Oberlander selbst werden nicht nur im Museum zu sehen sein, sondern nächtens mittels Projektion präsentiert und neu interpretiert - auf Fassaden, Mauerwerk, Bäume und die Pegnitz.
Die Orte werden kurzfristig über das Internet und die Presse bekannt gegeben.
Die Eröffnung mit Projektion ist am Freitag, den 9.August um 21.30 Uhr am Kunstmuseum in der Amberger Straße 2 am Spitaltor. Die Ausstellung ist bis zum 31. August jeweils Freitag und Samstag von 17 bis 19 Uhr zu sehen, die Projektionen jeweils Samstags um 21.30 Uhr. Details finden Sie hier.
Abbildungen von oben nach unten, von links nach rechts: GÜNTER DERLETH, WOLDEMAR FUHRMANN, ROGER LIBESCH, HANS GRASSER, CHRISTIAN OBERLANDER, JÜRGEN DURNER
Kunstgenuss im Doppelpack
Von wegen Sommerloch: das Kunstmuseum Hersbruck plant im Juli in Kooperation mit der Original Hersbrucker Bücherwerkstätte ein kunstvolles Wochenende zum Feiern und Genießen. Als Popup-Ausstellung, also einer kurzen Werkschau mit nur zwei Tagen Dauer werden im Museum Originalgrafiken und Künstlerbücher von Cornelius Brändle und Hanneke van der Hoeven gezeigt. Ihre Drucke und Künstlerbücher werden nur in kleinen Auflagen gedruckt, und eröffnen damit den Freiraum für interessante Experimente.
Künstler sind während den Öffnungszeiten der Ausstellung anwesend. Die Ausstellung setzt eine Ausstellungsreihe fort, die bereits die ‚Edition Klaus Raasch/Schwarze Kunst‘ aus Hamburg und die Künstlerinnen-Gemeinschaft „augenfalter“ aus Leipzig gezeigt hat. Cornelius Brändle und Hanneke van der Hoeven kommen beide aus Berlin und veranstalten dort die artbook berlin. Eröffnung ist am Freitag, den 19. Juli um 18 Uhr, geöffnet ist am Samstag, 20.7. von 11 bis 18 Uhr und Sonntag von 11 bis 16 Uhr. Zum besonderen Genuss kann der Besuch des Museums am Samstag zwischen 15 und 19 Uhr werden, denn da feiert das Kunstmuseum mit kleinen Speisen und Getränken im Graben hinter dem Museum. Livemusik kommt ab 16 Uhr von Thomas Raum und Klaus Wagner.
Zeitgleich zeigt nur ein paar Schritte entfernt die 1969 gegründete Original Hersbrucker Bücherwerkstätte zu ihrem 55.Geburtstag im Wehrgang oberhalb der Werkstatt im Mauerweg 17a Titelblätter des langjährigen literarischen Kalenders aus.Die serielle Hängung der Kalenderblätter mit dem Titel „Wegbegleiter“ passt gut zum architektonischen Rhythmus des Wehrgangs und die Präsentation der Kalendertitel wird das umfassende Autorenspektrum zeigen, mit dem die Werkstatt zusammengearbeitet hat und noch zusammenarbeitet. Der Kalender ist tatsächlich ein literarisches Periodikum und seine Ausgabe im Winter fest verankert im Hersbrucker Kunst-Kalender. Die Eröffnung ist am Freitag, den 19. Juli um 19 Uhr, Werkstatt und Wehrgang zugänglich Samstag und Sonntag von 14 bis 17 Uhr.
Während des Gitarrenfestivals wird Christian Oberlander mit Kollegen unter dem Titel „Kleine Heimatkunde“ das Museum mit Installationen bespielen und mit Lichtprojektionen an Fassaden, Mauerwerk, Bäumen und der Pegnitz experimentieren.
Foto:
Monotypie aus einem Buchunikat von Hanneke van der Hoeven.
Von Tieren und Menschen – das Kunstmuseum wird zum Taubenschlag
Von der Friedenstaube über Opfergabe zu Delikatesse und Taubenplage- das Verhältnis der Menschen zu Tauben ist vielschichtig und nicht immer ungetrübt. Umso spannender ist es, was es an Gedankengängen auslösen kann, wenn ein Schwarm Wandertauben und ein Mähnenwolf das kleine Torhaus in ein Gesamtkunstwerk verwandeln. Der Künstler Kai Klahre hat das kleine, perfekt gemalte Porträt eines sympathisch hechelnden Mähnenwolfs in die Mitte einer ansonsten leeren Wand gesetzt. Eine Lernaufgabe für das Hersbrucker Publikum, dass weniger manchmal mehr ist. Das Bildchen beginnt seine Kraftwellen in den Raum auszubreiten, ungestört von ablenkenden Nachbarn. An den anderen Wänden haben sich aus Aluminium geschnittene und bemalte Tauben- Individuen als spannungsreiche Komposition niedergelassen. Der alte König, die Prinzessin, Brüderchen und Schwesterchen lassen eine märchenhafte Völkerschar vor dem inneren Auge entstehen. Liebling der Nacht, Geist einer Krähe und ein kleiner Atelierwächter beleuchten die mystische Seite der Vogelwesen. Vögel leben als Spezies weithin unbeeindruckt von uns Menschen ihr eigenes Leben und bieten so auch ein Feld für unsere Projektionen. Und mit Wandertauben ist es so eine Sache. Sie wurden vor einem Jahrhundert ausgerottet. So ist es ein Blick zurück in die Zukunft, der angesichts des Artensterbens unserer Tage eine schmerzhafte Brisanz bekommt.
Zwischen den Vogelobjekten hängen einige meisterhafte Lithographien, Zeichnungen und Cut-outs, bei denen durch verschiedene Papierebenen Dioramen entstehen. Immer lohnt sich das Eintauchen in diese Bildwelten, die ihre Bedeutungen nicht sofort preisgeben, sondern ein genaues Betrachten einfordern.
In der Mitte des Ausstellungsraums steht das Relikt überkommener Ausstellungstradition, eine schwere Vitrine. Kai Klahre nutzt sie, um durch einen über die Jahre gewachsenen Farbberg, entstanden aus den Farbresten auf der Palette, ein bisschen Atelieratmosphäre entstehen zu lassen. Zwei kleine Bronzefiguren bevölkern den Berg, der dadurch allerlei Assoziationen weckt: eine Landschaft, ein Müllberg, Überkonsum? Eine Insel, ein „Alles für uns“ umstanden von staunenden Tieren aus Alufolie, vor Ort zusammengedreht. Eine Schiffsschraube lässt die Interpretationsmöglichkeiten in Richtung Arche Noah driften, oder ist es das Boot, in dem wir alle sitzen?
Karin Plank-Hauter
Lesen Sie hier die Laudatio von Kunsthistorikerin Dr. Teresa Bischoff:
Es ist mir erneut Freude und Ehre zugleich heute Abend einige Worte für Dich, lieber Kai, sprechen zu dürfen.
Etliche Überlegungen gehen solch einer Aufgabe stets voraus. Nach längerem Nachsinnen über Deine Werke, über Dich als Künstler und natürlich über diese Ausstellung haben sich einige Gedanken herauskristallisiert. Sie lassen sich am besten mittels einer Geschichte erzählen, die uns aus der Antike überliefert ist. Vieles trägt sie in sich, was meiner Ansicht nach auch Deine Kunst, lieber Kai, auszeichnet.
Die Tochter eines Töpfers aus Korinth, namens Dibutade, verabschiedete sich eines Abends von ihrem Geliebten, der sie am darauffolgenden Tag verlassen musste, da er auf Reisen ging. Vor seinem Weggehen bat seine Freundin ihn vor einer Wand Platz zu nehmen. Sie nahm eine Kerze, worauf sich der Schattenumriss des Kopfes ihres Geliebten auf der hellen Fläche der Wand abbildete. Mit einem Stück Kohle zeichnete sie die Form nach. Als ihr Vater am darauffolgenden Tag die Zeichnung an der Wand sah, nahm er eine Handvoll Ton, füllte die Umrisslinie aus und formte daraus noch zusätzlich ein Relief mit den Zügen des Freundes seiner Tochter.
Plinius der Ältere hat in seiner Naturgeschichte, der naturalis historia, einer Art antikem Lexikon, diesen Mythos zur Erklärung angeführt wie denn eigentlich die Kunst in die Welt gekommen sei. Zwei Aspekte scheinen mir dabei bemerkenswert, die sich beide mühelos auf Kais Kunst übertragen lassen: zum einen ist es die Zuneigung zum Motiv, die überhaupt dazu führt, dass der gestalterische Wille geweckt wird, zum anderen ist es die Zeichnung oder besser gesagt die Umrisslinie mit der und durch welche der künstlerische Schaffensprozess doch erst seinen Anfang nimmt.
Wollen wir zunächst mit Letzterem beginnen. Wer schon einmal das Privileg hatte Kais Skizzenbücher sehen zu dürfen, der weiß, dass in diesen Blättern bereits alles steckt, was die späteren und folgenden Kunstwerke seiner Hand ausmacht. Auf der Zeichnung gründet alles.
Der Disegno, so nannte man in der Renaissance die Kunstform der Zeichnung, wurde aber auch deshalb in der Kunstgeschichte so hoch geschätzt, weil er mit einfachsten Mitteln die Übertragung des Geistigen ins Physische ermöglicht. Die Linie übermittelt einerseits das im Inneren erdachte ins Äußere, andererseits ist sie es auch, die die künstlerische Form vom Äußeren, Realen, Nichtkünstlerischen abgrenzt. Ein einziger eleganter Strich auf feinem Papier kann so bereits zum autonomen Kunstwerk avancieren.
Betrachtet man Kais Werke der letzten Zeit, so spielt die Linie jedoch nicht nur im zeichnerischen Prozess eine große Rolle, sie setzt sich in allen anderen künstlerischen Ausdrucksformen fort: die Linie kann gezeichnet, geschnitten, gemalt, sogar geformt oder gegossen sein. Denn auch Materialien werden vom Künstler immer freier und vielfältiger gewählt und angewandt. Vom klassischen Papier über die von ihm so sehr geschätzten bildtragenden Metallplatten bis hin zum Aluguss und der Bronze: Es scheint mir stets als würde sich die Idee selbständig ihre Form suchen. Kais Wille als Künstler kennt keine Grenzen. Er durchdringt die Dimensionen und die Materialien. Lassen sich einige der Arbeiten noch den klassischen kunsthistorischen Gattungen wie Grafik, Gemälde oder Plastik zuordnen, so scheinen mir bei vielen Arbeiten dieses traditionelle Klassifizierungssystem obsolet.
Kai ist einer der wenigen zeitgenössischen Künstler, der sich so universell auszudrücken vermag. Ein Aspekt, der ebenfalls schon in der eingangs erwähnten antiken Legende vorkommt. Die Fläche ist nicht genug und so dürfen sich viele der Figuren und Tiere, die Kai stets auf solch sorgsame und fürsorgliche Weise zum künstlerischen Leben erweckt, nun verlebendigen. Sie sind nicht länger an die Ebene gebunden. Und falls sie es doch sind, so werden sie zumindest von ihrer rechteckigen Rahmung entbunden. Behutsam befreit Kai seine Tiere vom eckigen Käfig der vorgegebenen Formate um ihnen in ihrer Individualität bewegliche Gestalt zu verleihen.
Rasch sind wir nun beim zweiten Aspekt unserer Legende angelangt: das Werkschaffen des Kai Klahre wäre undenkbar ohne die große Zuneigung, Sympathie und vielleicht darf ich es sagen, Liebe zu seinen Motiven. Ich kenne keinen zweiten Künstler, der mit solcher Verve und solchem Enthusiasmus von denjenigen spricht, die er in seinen Werken zeigt.
Wandertauben und ein Mähnenwolf heißt diese Ausstellung. Lebewesen ist sie gewidmet, denen man vermutlich sonst nicht allzuviel Aufmerksamkeit schenkt. So trägt das zweit genannte Tier zwar den Wolf im Namen, gehört aber eigentlich zur Art der Wildhunde. Im Zoo in Halle, wo er sich bisweilen zeigt, kann man ihn bewundern, vor allem aber ist der Mähnenwolf in Südamerika zuhause und hat eine sehr individuelle Art zu leben. Nicht in Rudeln, meist alleine streift er auf seinen langen Beinen durch die dortigen Wälder. Er ist eine Erinnerung an längst vergangene Zeiten vor Millionen von Jahren als diese Art sich gebildet hat. Ein kleines umso feineres individuelles Porträt hat der Künstler dem Mähnenwolf gewidmet. Es ist das einzige durchgemalte Bild der Ausstellung.
Ebenfalls eine Erinnerung an längst vergangene Zeiten ist die ihm beigesellte Vogelschar.
Es ist eine Vogelart, der wir im Alltag kaum Beachtung schenken und wenn dann meist nur, weil wir uns von ihr gestört fühlen. Von den Wandertauben haben sich die Menschen sogar so sehr gestört gefühlt, dass es sie heute nicht mehr gibt. Im Norden Amerikas angesiedelt, zählte die Wandertaube noch Anfang des 19. Jahrhunderts mit einem geschätzten Gesamtbestand von drei bis fünf Milliarden Exemplaren zu den häufigsten Vogelarten der Welt. Sie durchzog in heute unvorstellbar großen Schwärmen aus Hunderten oder Tausenden Individuen das Land. Zeitgenössische Quellen sprachen von Zugbewegungen, die den Himmel verdunkelt hätten und Tage andauerten. Umso dramatischer ist die Tatsache ihrer Ausrottung. Die Wandertaube wurde zum Symbol für den Raubbau an der Natur. 1914 verstarb das letzte Exemplar. Kai setzt mit seiner Arbeit diesen Tieren nun ein künstlerisches Denkmal. Er holt sie zurück in unser Bewusstsein.
Nahezu innig hat der Künstler sich mit seinem Metier beschäftigt, die Tiere studiert in ihrer Geschichte und mit ihren Geschichten. Stehen Tauben doch nahezu in allen großen Erzählungen für Liebe, Treue und Spiritualität. Mit dem Schneidbrenner hat er jedes Tier als cutout gestaltet und dadurch zum Individuum gemacht. Der Künstler verleiht jedem einzelnen seine persönliche Gestalt, derer man im großen Schwarm gar nicht gewahr werden würde, die aber dennoch existiert. Betrachtet man die kleinen Vögel näher, so scheint es, als hätte tatsächlich jedes Tier seine ganz eigene Wesenhaftigkeit erhalten: von mutig, bis zurückhaltend, von königlich mit Krönchen bis schlicht, von vorwitzig bis schüchtern. Trotz aller Realitätsnähe lässt Kai den Betrachter jedoch nie vergessen, dass es Tiere aus einer anderen Welt sind, einer künstlerischen Dimension, die nur durch ihn sichtbar gemacht wird.
Hierfür wird dann jedoch eine künstlerische Zutat benötigt, die in der antiken Legende nicht vorkommt: nämlich die Farbe. Erst durch das Kolorit kann das glänzende Gefieder der Tauben schillern, das flauschige Fell des Mähnenwolfs so verlockend weich erscheinen. Und ganz ungewöhnlich für eine Ausstellung, in der man meist ja nur das fertige Werk zu sehen bekommt, gestattet Kai uns sogar einen kleinen Blick hinter die Kulissen, öffnet er einen Spalt weit den Vorhang zum entstehenden Schaffensprozess seiner Werke. Sein lieb gewonnener Farbhaufen aus dem Atelier durfte von Nürnberg hierher nach Hersbruck reisen.
Und nun zum Abschluss darf ich dem Künstler das Wort erteilen. Ich möchte mit einem wörtlichen Zitat von Kai schließen, das er mir im Vorfeld dieser Ausstellung schrieb: „15 Jahre Farbe der Paletten. Beste Farbe, der besten Firmen. ^•^ Auf dem Berg sitzen ja zwei Bronzen. Mann und Frau. Vielleicht setze ich noch Alutierchen drumherum, um eine Verbindung zum Metall aufzunehmen. Im Ganzen müsste das eine sehr gute Auswahl sein, und die Schau wird zum Kreis.“
Kunstobjekte in-an-über der Pegnitz, das ist in Hersbruck bereits ein Erfolgsformat. Coronabedingt musste die dritte Runde der Freiluftkunstausstellung pausieren- nun konnte sie nach 2018 und 2019 wieder stattfinden. 24 deutsche und italienische Kunstschaffende haben sich die malerisch durch Hersbruck mäandernde Pegnitz als Inspirationsquelle genommen. Es gab auf dem Wasser schwebende Luftkissen mit einem Shakespeare-Zitat, mit anmutigem Ernst die Brücke zum Wassertor bewachende, mit Kettensäge ausgesägte Holzfiguren, skurrile Wasserfuhrwerke, eine klingende und scheppernde Maschinerie im Mini-Wasserfall, Spiel mit den Spiegelungen und vieles mehr. Als besonderes Schmankerl gibt es zum dritten Geburtstag der von Christoph Gerling initiierten und kuratierten und vom Team des Kunstmuseums Hersbruck ehrenamtlich realisierten Schau einen reich bebilderten Doppelkatalog 2019/2021 mit Informationen zu den Künstlern und Künstlerinnen und ihren Werken. Die Eröffnung mit dem Erstverkauf des Katalogs war am 13. August.
Der wertige und sehr ästhetische Doppelkatalog ist für 20 Euro erhältlich. Sprechen Sie uns an!
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